Haarige Schnecke in 99 Millionen Jahre altem Bernstein entdeckt

Medienmitteilung

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Archaeocyclotus brevivillosus sp. nov.

Internationale Forschende haben eine neue Landschnecken-Art in einem etwa 99 Millionen Jahre alten Bernstein entdeckt. Das Gehäuse der Schnecke weist kurze, borstige Haare auf. Laut dem Forschungsteam, dem auch Adrienne Jochum - Associate Research des NMBE- angehört, bot die Behaarung den Weichtieren möglicherweise einen Evolutionsvorteil.

Nur 150 bis 200 Mikrometer lang sind die feinen Härchen, die auf der Schale der neu entdeckten Art Archaeocyclotus brevivillosus sp. nov. mittels klassischer Mikroskopie und 3D-Röntgen-Mikro-Computertomographie gefunden wurden. «Es ist bereits die sechste Art aus der Familie der Cyclophoridae, der ‹Turmdeckelschnecken›, die behaart ist», erläutert Dr. Adrienne Jochum vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt und dem Naturhistorischen Museum in Bern, und fährt fort: «Die Verzierung von fossilen und heutigen Landschneckengehäusen mit Rippen, Haaren, Noppen oder Falten ist nicht ungewöhnlich – die Ausbildung solch einer ‹Dekoration› ist dennoch ein komplexer Prozess, der in der Regel nicht ohne Zweck geschieht.»

Die Behaarung von Schneckenhäusern wird von der obersten proteinhaltigen Schalenschicht (Periostracum) gebildet. Bei mehreren Familien von Landschnecken, wie beispielsweise den Laub-, Schnirkel- oder Polygyridaeschnecken sind behaarte Schalen bekannt, was darauf hindeutet, dass die Behaarung im Laufe der Evolution der Landschnecken mehrmals unabhängig voneinander auch bei nur entfernt verwandten Gruppen aufgetreten ist.  «Die von uns neu beschriebene Art, Archaeocyclotus brevivillosus, stammt aus einer kreidezeitlichen Bernstein-Mine aus dem Hukawng-Tal in Birma und wurde dort bereits vor 2017 gesammelt. Die fossile Schnecke ist 26,5 Millimeter lang, 21 Millimeter breit und 9 Millimeter hoch. Sie trägt kurze Haare am äusseren Rand der Schale, die sich an der Schalenöffnung bündeln.

Insgesamt acht Arten der Familie Cyclophoridae wurden aus dem birmanischen Bernstein geborgen – sechs davon tragen borstige Schalen. Kein Zufall, glauben die Wissenschaftler:innen: Sie gehen davon aus, dass die Behaarung den Schnecken einen evolutionären Vorteil bot. «Die Haare könnten den Tieren beispielsweise – das wurde schon bei heute lebenden Schnecken beobachtet – helfen, sich an einem Pflanzenstamm oder an Blättern besser zu verankern. Möglicherweise sorgten sie auch für die Wärmeregulierung der Schnecke, indem sie das Anhaften von winzigen Wassertropfen an der Schale ermöglichten und so als ‹Klimaanlage› dienten.  Oder sie schützten das Schneckenhaus vor dem Zerfall in der stark sauren Erde und dem Blattstreu des alten tropischen Waldbodens. Die Borsten könnten auch der Tarnung gedient haben oder die Schnecke vor einem direkten Angriff geschützt haben. Und letztlich ist es auch nicht auszuschliessen, dass die Haare als Vorteil bei der sexuellen Selektion dienten», so Jochum.